In 80 Vereinen um die Welt –Athletic Club de Bilbao

In unserer Serie „In 80 Vereinen um die Welt“ widmen wir uns dem Besonderen in der oftmals durchgetakteten Fußballwelt: Vereinsmodelle, die kreativ und womöglich sogar etwas abseits der Norm sind werden ebenso ins Rampenlicht gerückt, wie Akademien und Jugendabteilungen, die durch einen speziellen Weg zum Erfolg gefunden haben. Die aktuelle Ausgabe wirft einen Blick nach Spanien, genauer gesagt ins Baskenland, auf den Athletic Club de Bilbao.

Erstligadino mit selbstauferlegten Regeln

Der Athletic Club de Bilbao, oder bei uns meist nur als „Athletic Bilbao“ bekannt, ist definitiv ein besonderer Verein. Die Rot-weißen aus dem Baskenland sind seit der Gründung der Primera División (heute: La Liga) im Jahr 1928 durchgehend in der ersten spanischen Liga. Neben den „Leones“ (Löwen) gelang dies nur den beiden Top-Vereinen Real Madrid und dem FC Barcelona – drei echte Erstligadinos, die sich seit fast einem Jahrhundert in der Erstklassigkeit halten. Die vereinseigene Jugendakademie „Lezama“ ist eine der wohl renommiertesten Talentschmieden im Fußball weltweit. Mit der Durchlässigkeit von Talenten auf dem Weg zu den Profis, können andere Akademien kaum mithalten. Dabei haben die Basken das Rad in Bezug auf die Jugendausbildung keineswegs neu erfunden, vielleicht etwas adaptiert, aber der Grund ist ein ganz anderer: nachdem der 1898 gegründete „Athletic Club“ im Jahr 1903 mit dem von englischen Arbeitern gegründeten „Bilbao Football Club“ fusionierte, wurde 1912 eine bedeutende Regel ins Leben gerufen. Fortan sollten für die Mannschaften des Athletic Club de Bilbao nur noch Basken spielen. Das Baskenland ist eine autonome Gemeinschaft, die sich im Nordosten Spaniens und Südwesten Frankreichs befindet. Teile der Basken streben – ähnlich wie die Katalanen – die Unabhängigkeit des Baskenlandes an. Rund 25% der Basken geben an, die baskische Sprache zu Hause zu sprechen. Insgesamt zählt das Baskenland ca. 2,7 Millionen Einwohner:innen. In Verbindung mit der selbst auferlegten Regel, nur baskische Spieler für den Verein spielen zu lassen, schränkt das einen möglichen Talentpool extrem ein, was wiederum die Akademie Lezama in den Fokus rückt. Ende der 1990er-Jahre wurde die Regel etwas aufgeweicht, sodass auch Spieler zum Verein geholt werden dürfen, die in Jugendmannschaften im Baskenland ausgebildet wurden.

Lezama – die Lebensversicherung Bilbaos

Wie schon erwähnt, hat Athletic das Rad der Jugendausbildung nicht neu erfunden, allerdings wurde im Baskenland ein riesiges Rad gebaut. Um die Jugendförderung – trotz der „nur“ 2,7 Millionen Einwohner:innen – auf möglichst breite Beine zu stellen, kooperieren die Rot-weißen mit mittlerweile 170 Partnervereine, die sich über das ganze Baskenland verstreuen. Hauptbestandteil dieser Kooperationen ist es, möglichst vielen baskischen Kindern eine möglichst gute fußballerische Ausbildung zu bieten. Hierfür arbeiten die Partnervereine nach dem Konzept und mit den Trainingsmethoden von Athletic Bilbao. Die besten Talente sollen dann den Weg nach Lezama finden und in der Jugendabteilung von Athletic den Feinsschliff für den Weg zum Profi bekommen. Dieser Weg ist etwas anders, als es aktuell bei vielen anderen Vereinen der Fall ist. Insgesamt wird den Talenten der „Leones“ mehr Zeit eingeräumt und dafür gibt es einen klar vorgezeichneten Weg. Seit 1997 fungiert der Verein „CD Basconia“ als 2. Ausbildungsmannschaft für Athletic Bilbao. Nach Abschluss der Akademie werden die Spieler für ein oder zwei Jahre zu Basconia verliehen und sammeln in der 4. spanischen Liga erste Erfahrungen im Erwachsenenbereich, um danach wieder zurück zum Verein zu kommen und ein bis zwei weitere Jahre in der zweiten Mannschaft, „Bilbao Athletic“ zu spielen. Der letzte Schritt ist dann der Step in die Profimannschaft. Hier zeigt sich oftmals die generelle, baskische Verbundenheit, wodurch viele Spieler jahrelang im Verein bleiben, wie an den aktuellen Beispielen Iker Muiain, Óscar de Marcos oder Iñaki Williams zu sehen ist. Muniain verlässt den Verein im Sommer, nachdem er 2005 in die Jugendabteilung kam und seit 2009 in der ersten Mannschaft spielte. Ebenso seit 2009 ist de Marcos an Board. Williams ist den vorgezeichneten Weg gegangen und hat nach Lezama eine Saison bei CD Basconia verbracht, danach ein weiteres bei Bilbao Athletic, bevor er 2014 in den Profikader stieß. Williams hält übrigens einen überragenden Rekord: zwischen April 2016 und Januar 2023 hat der Flügelspieler unglaubliche 251 Spiele in Folge für Athletic in der höchsten spanischen Liga absolviert.

Beeindruckende Jugendstatistiken und Erfolge

Einer Statistik von „CIES Football Observatory“ zu Folge, haben in der Saison 2021/22 Spieler aus der eignen Jugendabteilung 55,8 Prozent aller Spielminuten absolviert. Damit liegt man in den Top-5-Ligen einsam an der Spitze. Die Erfolge spiegeln sich aber auch anderenorts wider: im spanischen Pokal, dem „Copa del Rey“, ist man mit 24 Erfolgen auf Platz 2 der Bestenliste – hinter dem FC Barcelona. Erst in der Saison 23/24 gelang der letzte Triumph. Zusätzlich darf man die Vereinsstatistik mit 8 spanischen Meistertiteln, auch wenn der letzte vierzig Jahre zurück liegt, schmücken. Zu guter Letzt wurden in den vergangenen Jahren auch am Transfermarkt erhebliche Ablösesummen erwirtschaftet. Die vier Rekordabgänge – Ander Herrera (Saison 2014/15), Javi Martínez (2012/13), Aymeric Laporte (2017/18) und Kepa Arrizabalaga (2018/19) – haben laut transfermarkt.de zusammengerechnet 221 Millionen Euro in die baskische Vereinskasse gespült. Geld, dass zu einem großen Teil wieder in die Jugendabteilung mitsamt der Kooperationsvereine investiert wurde.

Athletic Bilbao ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Verein in der oftmals stereotypen Welt des Fußballs. Bleibt nur zu hoffen, dass aus den knapp 100 Jahren Erstligazugehörigkeit noch viele, viele mehr werden.

Athletic Bilbaos Top-11 der letzten 20 Jahre
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