Der moderne Außenverteidiger - Spielmacher und Zweikämpfer

Der moderne Außenverteidiger verkörpert nahezu alles: Gefahr in der Offensive und Stabilität in der Defensive. Er grätscht am eigenen und kreiert Chancen am gegnerischen Strafraum. Er gewinnt Bälle und erzielt Tore. Er ist Spielmacher, Flankengeber, Sprinter und Zweikampfmonster zugleich. Kurzum: Er ist ein kompletter Fußballer.

Auf dem Weg zum Champions League Titel 2019/20 hat der FC Bayern München den FC Barcelona mit 8 Toren nach Hause geschickt. Die Szene, die aus diesem Spiel aber wohl in den meisten Köpfen hängen geblieben ist, ist nicht ein explizites Tor, sondern eine Vorarbeit - nämlich jene von Linksverteidiger Alphonso Davies, der die komplette rechte und halbrechte Abwehrseite der Katalanen alt aussehen ließ. Der moderne Außenverteidiger kann aber ganz unterschiedlich aussehen. Man denke hier eben an Alphonso Davies, der des Öfteren schon Temporekorde aufgestellt hat und mit unwiderstehlichen Dribblings zu gefallen weiß. Man denke an Philipp Lahm, der jahrelang zu den besten Außenverteidigern weltweit gezählt wurde und später von Pep Guardiola ins Mittelfeldzentrum beordert wurde, da er dort nahezu alles verkörperte, was der heutige Manchester City-Coach von einem Zentrumsspieler erwartete. Ähnliches gilt für David Alaba, der schon beim FC Bayern München teilweise und im österreichischen Nationalteam jahrelang im Mittelfeldzentrum agierte und unter Hansi Flick beim FC Bayern München und unter Carlo Ancelotti bei Real Madrid zu einem Innenverteidiger mit dem Prädikat "Weltklasse" transformiert wurde. Auch Gareth Bale sei hier erwähnt, der als Linksverteidiger den Sprung in die Premier League schaffte, dann aber als wohl einer der besten Flügelstürmer mit entscheidenden Toren in zwei Champions League Finalis in die Geschichte einging.

Die Vielseitigkeit von Außenverteidigern und die diversen damit verbundenen fußballerischen Fähigkeiten sind unbestritten. Welche Formen des Außenverteidigers gibt es im modernen Fußball und wie können diese eigesetzt werden? An dieser Stelle sollen drei Typen behandelt werden: der Flügelverteidiger oder Schienenspieler in der Fünferkette, der klassische Außenverteidiger in der Viererkette und der sogenannte "Inverted Fullback", aber dazu später mehr.

Der Schienenspieler in der Fünferkette wird im Englischen "wingback", also frei übersetzt "Flügelverteidiger" genannt, was schon eine nahezu perfekte Beschreibung der Position ist. Er ist ein Verteidiger, der im Offensivspiel nahezu als Flügelspieler agiert, aber dennoch in der Defensive im Verteidigungsbund agiert. Charakteristisch im Spiel mit dem Ball ist, dass Spieler auf dieser Position zumeist die Aufgabe des "Breitengebers" haben, das heißt, dass sie dafür verantwortlich sind, dass die Flügelzonen besetzt und damit Anspielstationen in der Breite vorhanden sind. Das bringt die restliche Aufteilung der Mannschaft mit sich, da z.B. in einem 5-3-2, das im Spiel mit dem Ball zumeist zu einem 3-5-2 wird, sämtliche anderen Spieler im Zentrum beheimatet sind und somit nur situativ auf die Flügel ausweichen. Im Spiel gegen den Ball zeichnet diese Position aus, dass ballnah vorwärts verteidigt wird und die Spieler damit wieder in der Mittelfeldzone agieren und ballfern als absichernder Spieler hinter der Dreierkette ihre Aufgabe finden.

Der klassische Außenverteidiger in der Viererkette dient im Ballbesitz zwar auch oft als Breitengeber, hat in der Offensive aber etwas weniger Freiheiten als der Schienenspieler, was sich auf den einen Spieler weniger in der Verteidigung zurückführen lässt. Zwar binden sich Links- und Rechtsverteidiger in nahezu jeden Angriff ein, wenn sie auf der Ballseite sind und wissen zumeist als Flankengeber zu überzeugen, jedoch hat das Pendant auf der ballfernen Seite wesentlich mehr Defensivaufgaben und rückt dann ins (Abwehr-)Zentrum mit ein, um die Innenverteidiger bei der Restverteidigung und Konterabsicherung zu unterstützen.

Die wohl spannendste Positionsbezeichnung ist der "Inverted Fullback". Auch, weil es keine eindeutige deutschsprachige Definition dafür gibt. Am treffendsten wäre wohl jene des "einrückenden" Außenverteidigers oder, um ein Fußball-Modewort der letzten Jahre aufzugreifen, die "falsche 2". Konträr zu den eigentlichen Aufgaben eines Außenverteidigers ist, dass der "Inverted Fullback" im Defensivverhalten zwar ein echter Außenverteidiger ist, im eigenen Ballbesitz dann aber als Zentrumsspieler agiert. Pep Guardiola hat diese Rolle über die Jahre stets weiterentwickelt und sowohl beim FC Bayern mit Philipp Lahm und teilweise auch David Alaba, als auch bei Manchester City mit bspw. Oleksandr Zinchenko und John Stones nahezu perfektioniert. Mittlerweile greifen wesentlich mehr Trainer auf dieses taktische Mittel zurück, trotzdem darf man den smarten Katalanen in diesem Fall als Pionier bezeichnen. Die großen Vorteile eines Außenverteidigers, der sich im Offensivspiel ins Zentrum bewegt sind die stabile Konterabsicherung im Falle eines Ballverlustes, aber auch eine mögliche Überzahl im Zentrum, die das Kombinationsspiel erleichtert und eine gute Raumbesetzung mit sich bringt, wenn man sich ein erfolgreiches Gegenpressing zum Ziel genommen hat. Zu guter Letzt öffnet es offensiven Flügelspielern aber auch Räume in den Flügelzonen, in denen sie freigespielt werden können und auch gute Voraussetzungen für ein erfolgreiches Eins-gegen-Eins vorfinden.




Bild 1: Mögliche Anwendung des Prinzip des ?Inverted Fullbacks?. Nr. 3 verstärkt das Zentrum, während Nr. 11 als Breitengeber am offensiven Flügel agiert. Quelle: Eigene Darstellung



Bild 2: Nach den Laufwegen wird die Überzahl und Staffelung im Mittelfeldzentrum, sowie der freie Ball auf Nr. 11 am Flügel. Quelle: Eigene Darstellung

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