Wie entwickelt man eine Spielidee?
Als Trainer:in wird man oft gefragt, welche Spielidee man verfolgt. Die eigene Spielidee ist so etwas wie das Markenzeichen jedes Übungsleiters, gleichzeitig erfolgt aber auch eine Art Kategorisierung und "Schubladendenken". Wer die ersten Tage von Robert Klauß als neuer Trainer des SK Rapid Wien im vergangenen November in den Medien verfolgt hat, hat in nahezu jedem Artikel Schlagworte, wie "RB-Schule", "RB-Trainer" oder "Pressingtrainer" gelesen. In der internationalen Spitze wird zb. Pep Guardiola wohl als der König aller Ballbesitztrainer angesehen, gefolgt von seinen "Lehrlingen" Xavi und Mikel Arteta und Jürgen Klopp wird der Umschaltfußball zugeschrieben. Italiener sind in den Augen vieler sowieso Defensivtrainer, wie auch der Portugiese José Mourinho. Ganz unbegründet scheint diese Einordnung nicht, schließlich verfolgen diese Trainer tatsächlich auch vermehrt die Spielrichtungen, die ihnen nachgesagt werden. Wenn man schon den Spitzenfußball im Blick hat, kommt man um einen Übungsleiter nicht herum, der als "Chamäleon" der Trainer bezeichnet werden kann: Carlo Ancelotti. Bei nahezu allen seinen Stationen verfolgt er unterschiedliche Ansätze und dennoch hat und hatte er überall große Erfolge gefeiert - oder gerade deswegen? Ergänzend sei hier erwähnt, dass - vor allem die Mannschaften an der Spitze - alle Phasen des Spieles auf höchstem Niveau beherrschen, zumindest eine davon aber noch einmal heraussticht.
Nun gibt es bei Profi- und Amateurtrainer:innen aber einen großen Unterschied in Bezug auf die Spielidee: das Spieler:innenmaterial und die damit verbundenen Möglichkeiten. Wie schärfst du als Trainer:in dein Profil, wie entwicklst du eine generelle Spielidee und wie konkretisierst du diese für deine Mannschaft?
Im ersten Schritt muss man sich als Trainer:in klar werden, für welche Art von Fußball man stehen will, aber vor allem auch, ob man diese Art von Fußball auch vermitteln kann. So muss man in der Regel für Offensivpressing-orientierten oder Umschaltfußball wesentlich mehr Enthusiasmus und Leidenschaft in seine Erklärungen und Ansprachen bringen, als für kompakten Defensivfußball. Natürlich sind Leidenschaft und Enthusiasmus immer ein guter Begleiter für eine:n Trainer:in, jedoch gibt es Themen, die man sachlicher an die Spieler:innen bringen kann, als die Intensität des Pressings und des Umschaltverhaltens. Ist man sich der Eckpfeiler der eigenen Spielidee bewusst, gibt es dennoch viele Details, die man beachten muss. Als Beispiel soll hier der eigene Ballbesitz dienen, denn hier sind die Detailfragen wohl am vielfältigsten und beginnen schon bei der Spieleröffnung:
- Soll flach oder hoch herausgespielt werden?
- Soll der Spielaufbau mit 2 oder 3 Spielern erfolgen?
- Soll der Torwart ins Aufbauspiel miteinbezogen werden ("Torwartkette")?
- Sollen meine Außenverteidiger hoch und breit mitgehen oder eher ins Mittelfeldzentrum einrücken und als "inverted full-backs" agieren?
- Soll das Übergangsspiel über das Zentrum oder die Flügel erfolgen?
- Soll die Mannschaft eher über Flanken, flache Zuspiele von der Seite oder über Schnittstellenpässe im Zentrum zum Torabschluss kommen?
- Etc.
Das sind nur einige der Fragen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, die letztendlich aber zu Spielprinzipien führen, deren Summe dann letztendlich die eigene Spielidee ist. So weit so gut, jedoch sieht sich der Großteil der Trainer:innen mit einer wesentlichen Herausforderung konfrontiert: Passen meine Spieler:innen zu meiner Spielidee bzw. wie bekomme ich die passenden Spieler:innen?
Sieht man sich Teams wie Manchester City, Arsenal London, den FC Bayern München, Paris Saint-Germain oder Real Madrid an, wurden diese in den letzten Jahren nahezu ausschließlich mit den Wunschspielern der jeweiligen Trainer ergänzt und verstärkt, sodass die Spielidee der Trainer bestmöglich umgesetzt werden kann. Da es im Amateurfußball solche großen Einkaufstouren aber kaum bis gar nicht gibt, muss man als Trainer:in oftmals etwas abseits der eigenen Spielidee und -prinzipien agieren ? und genau hier liegt der Unterschied zwischen der eigenen Spielidee und der passenden Spielidee für die Mannschaft: Für die Spielidee der Mannschaft, muss man die beste Kombination aus der eigenen Spielidee und den Fähigkeiten der Spieler:innen finden und jene Puzzleteile der eigenen Spielidee, die nicht passen oder umsetzbar sind soweit abändern dass das Maximum herausgeholt wird, ohne völlig von den eigenen Präferenzen abzurücken.
Oder man entwickelt sich zu einem ähnlichen "Trainerchamäleon" wie Carlo Ancelotti und ändert die eigene Spielidee je nach Mannschaft und Spieler:innenmaterial völlig ab, da man im Amateurfußball jedoch wesentlich weniger Zeit zur Verfügung hat, als es bei Carlo Ancelotti der Fall ist, kann das auch eine sehr risikobehaftete Variante sein?