Vororientierung im Fußball
Moderner Fußball wird immer schneller, intensiver und dynamischer. Dieser Trend hat auch vor Amateurligen und dem Nachwuchsfußball nicht Halt gemacht. Höhere Intensität geht mit einer höheren Anzahl an Drucksituationen einher. Spieler wie Sergio Busquets, Xavi, Luca Modric oder Toni Kroos scheinen jedoch weniger unter Druck zu geraten als andere. Vordergründig liegt das an der Art, wie sie sich auf dem Spielfeld orientieren, die Räume und Situationen erkennen. Durch Vororientierung erreicht der Spieler einen Vorteil gegenüber dem Gegner und kann so Aktionen vorausschauend ausführen. Vororientierung ist aber mehr als nur ein Schulterblick und kann gezielt trainiert werden.
Bei der Vororientierung handelt es sich um die Fähigkeit eines Spielers, vor dem ersten Ballkontakt bereits mehrere Handlungsoptionen, also vornehmlich Anspielstationen zu erkennen. Durch das Scannen seiner Umgebung erhält der Spieler Informationen über Drucksituationen. Mit einem einzigen bewussten Blick können gleichzeitig Mitspieler, Gegenspieler und freie Räume erkannt werden. Dem Schulterblick kommt hierbei eine wichtige Rolle hinzu. Durch ihn kann der Spieler auch die Geschehnisse in seinem Rücken beobachten, was ihm bei seiner optimalen Positionierung hilft und somit Zeit verschafft. Gegner- und Zeitdruck können minimiert werden. Viele Spieler - vor allem im Nachwuchs - lösen ihren Blick jedoch ungern vom Ball und nur wenige Trainer lassen Vororientierung bewusst trainieren. Gute Technik macht es einfacher, den Kopf zu heben und ist somit die Basis des Trainings zur Vororientierung. Durch eine bessere Übersicht wird wiederum die Technik eines Spielers besser. Die beiden Attribute Technik und Übersicht schaukeln sich somit gegenseitig nach oben. Bewusstes Anwenden der Vororientierung beschleunigt und verbessert die Entscheidungsfindung für die Spieler. Die Zeit, die der Spieler benötigt, um den Ball zu verarbeiten, minimiert sich dadurch und gibt auch dem nächsten Ballempfänger einen zeitlichen Vorteil.
Vororientierung geht jedoch weit über den bloßen Schulterblick hinaus. Thomas Müller vom FC Bayern München wird von einigen Experten als Raumdeuter beschrieben. Diese Beschreibung findet mittlerweile sogar bei englischsprachigen Experten Anwendung. Müller wird eine enorm hohe Spielintelligenz zugeschrieben, die es ihm ermöglich zukünftige Aktionen besser zu antizipieren. Dieses Training findet jedoch nicht nur durch Übungen auf dem Platz statt, sondern wird auch durch Mentaltrainer unterstützt. So werden Spielaktionen visualisiert und im Kopf, in einer Art Kopfkino, durchgegangen. Aktionen, selbst unmöglich anmutende, können so zu einem Erfahrungsschatz hinzugefügt werden, ohne dass sie tatsächlich stattfanden. Diese Form des Mentaltrainings ermöglicht es dann in den Spielen, auch in unbekannten Situationen, schnell handlungsfähig zu sein.
Nach erfolgreicher Anwendung des Schulterblicks, des "Raumdeutens" und Scannens stünden dem Spieler nun Unmengen an Information zur Verfügung. In Sekundenbruchteilen muss der Spieler Entscheidungen treffen, oft viele hintereinander. Trainer sollten hierbei klare Indikatoren für ihre Spieler benennen, um sie nicht zu überfrachten. Es geht für die Spieler darum, die richtigen und wichtigen Situationen zu erkennen. Taktische Komplexübungen können positionsspezifisch dazu genutzt werden, Vororientierung zu trainieren. Diese Schulung soll es den Spielern ermöglichen, die Vororientierung gezielt zum Vorteil des Teams zu nutzen.
Zu diesem wichtigen Thema findest du ein Video zum Training des Schulterblicks als Einstieg in der VOOR-Trainingsübungsdatenbank.